这里和那里这里是太阳
这里和那里这里是太阳,
那里是炸弹这里是和平,
那里是眼泪这里是未来,
那里是恐怖我们去哪呢?
(Mandarin, von Sim Kok Chwee, Singapur via Robert Lachowitz.)[30.3.]
Zhe li he na li
Zhe li shi tai yang, na li shi zha dan
Zhe li shi he ping, na li shi yan lei
Zhe li shi wei lai, na li shi kong bu
Wo men qu na ne?
(Die phonetische Transliteration des Mandarin-Textes, von Kok Chwee Sim, via Robert Lachowitz)
Hier en daar
Hier en daar
Hier zon / Daar bommen
Hier vrede / Daar tranen
Hier toekomst? / Daar horror!
Waar gaan we naar toe?
(Eine weitere holländische Version, von Mischa Ordijk aus Zwolle, via Robert Lachowitz) [30.3.]
Quì è custì
quì è custì
quì u sole – custì e bombe
quì u pace – custì e pienti
quì u futuru – custì orrori
Induve andèmu?
(Korsisch von Sybille Schneider, Bastia/München)
Tot a Hen
Tot a Hen
Totkaj sunko / Henkaj to lísklo
Tot mír / Hen bečá
Tot budúcnosť / Hen hrúza veliká
Kam ideme, kúrva?
(podlužácké nářečí: přeložil/von Marian Mazuch)
Hic et illic
Hic et illic
Hic sol/ illic bellum
Hic pax/ illic lacrimae
Hic futurum?/ illic crudelitas!
Quo imus?
(Latein [IV.] von Inge Veratschnig)
Über 200 Übersetzungen und Interpretationen. Wenn wir uns nicht verzählt haben, 219.
Ein Gedicht geht seit einem Monat um die Welt. Mit gestrigem Tag wurde es über zweihunderfach übersetzt und interpretiert. Geschrieben am Morgen, als der Krieg begann und den Menschen den Schlaf raubte.
Gerade jetzt auf die Kraft des Wortes und der Übersetzung zu vertrauen mag verstörend und aussichtslos erscheinen. Es mag auch Mühe bedeuten, aber das Wort, der Vers trägt gerade in schweren Zeiten die Fähigkeit in sich, das aufeinander Zugehen nicht zu vergessen. Neben dem Versuch, zu Verstehen und doch auch das Hoffen zu wagen.
Das Wort klärt den Blick, Verse geben in trostloser Zeit Hoffnung. Wir wagten sie. Wir finden verbindende, nicht tötende Worte. Wir haben und wir finden eine neue, eine gemeinsame Sprache!
Auch wenn der Krieg tobt, es bleibt uns nicht erspart, über die Zukunft nachzudenken und nach Möglichkeit ausschau zu halten zu beginnen, die vergangenen Fehler und Versäumnisse nicht wieder zu wiederholen.
Es machen sich ungeahnte Weiten und Möglichkeiten auf, auch wenn wir alle noch nicht wiklich registriert haben, welche innovative Kraft in und mit der Sprache immer wieder von Neuem erwacht und heranwächst.
Bisher haben wir über die heilenden Möglichkeiten, die in den Sprachen auf ihre Entfaltung harren, mehr oder weniger theoretisch gesprochen. Auf ihre Wirkung haben wir allzuoft nicht vertraut. Ähnlich dem Hollerstrauch, wo 8.000 heilende Komponenten vorhanden sind und erst aktiv werden, wenn sie gebraucht werden.
Auch mit und um das Gedicht geschehen Dinge, die bis dato so nicht bekannt waren: Schulklassen diskutieren in bisher nicht gekannter Weise über die Verse; aus allen Teilen der Welt kommen innerhalb von Tagen Übersetzungen: Vom Altmongolischen bis zum Ukrainischen. Überall drückt sich der Wunsch nach unmittelbaren Frieden aus, in einer unideologischen, die Phantasie bewegenden und – deutlicher als sonst – das Verbindende und die jeweilige Eigenart herausstreichenden Sprache, ohne die eigene Wichtigkeit überzubewerten.
Wir nehmen erstmals eine Wirklichkeit wahr, die die Wirkung der Übersetzung hervorstreicht und die die Kindheitssprache heller macht, auf die man stolz sein kann. Jeder und Jede für sich lebt und wächst in seiner gesprochenen Kindheitssprache auf.
Hervor treten verzaubernde, anziehende Bilder, die einen selbst verwandeln und auf einmal kann das Gesprochene ohne Opfermythos und Mitleidhaschend, oder agressiv, auftreten. Ganz selbstverständlich. Öffnend, frei machend.
Darin liegt das Mystische der Sprache und zeigt, wie ausdrucksreich Sprache – ob Hochsprache oder dialektaler Ausdruck – ist. Schleusenöffnend, die die aufgestauten Missachtung wegzuschwemmen imstande ist.
Kaum einen Monat nach Kriegsbeginn hat man das Gefühl eines Überganges zur Normalität und erstarrt. Nimmt man den Essay von Peter Gnaiger in den „Salzburger Nachrichten“ vom 12.3.und den Kommentar von Milenka Rječcina in den „Serbske Nowiny“ vom 18.3. bekommt man eine Ahnung, was mit Wort, Sprache und Kultur in Zukunft zustande zu bringen möglich macht.
Mit dem „Aufschrei in Versen“ ist ein trauriger Moment der Geschichte eingefangen worden und zugleich auch eine Wirkung geweckt worden, die in sich die Hoffnung trägt.
Wir haben das Hoffen gewagt und wir gehen auf eine Zeit zu, wo man sich der Osterfriedensmärsche erinnert.
Jedenfalls: Der Krieg in Europa lässt den innigen Wunsch nach einer neuen Friedensbewegung wach werden.
Es ist Zeit! Es ist Zeit nach einem Jahrhundert der Kriege es nicht wieder so einfach geschehen zu lassen. Nicht, dass Männer als Soldaten unter Befehlsgewalt zu Kanonenfutter werden und auf Verwandten, Gleichgesinnte, Brüder, Schwestern, Kinder schießen, Töten, (vielleicht mit zusammen gebissenen Zähnen), aber Töten!
Nie wieder Krieg!
Die Parole vergangener Zeit im Rückblick verblassend, wenn es zum realen Krieg kommt?
Jahrelang und millionenhaft skandiert – einfach vergessen und jeder geht hin?
Geleitet vom jeweiligen Nationalismus, die Vernunft, die Dessertation, der Widerstand im Hass erstickt und mit gegenseitiger Verachtung bedacht?
Ist das der Weisheit letzter Schluss?
Achtung, Würde, Menschenrechte – mit Füßen getreten, mehr denn je?
Sprachliche Souverenität und Verständigung dem Nationalstaat und seiner Assimilation geopfert?
Geht es wieder einmal als Kolleteralschaden durch, wie in den Jahrhunderten davor, in allen Teilen der Welt – von Afrika, über Amerika, Canada, Europa, Korsika, Irland, Wales, Asien usw. – die die Vernichtung von Gesellschaftsstrukturen, Sprachen und Kulturen bewusst förderten und bis heute in den Geschichtsbüchern verherrlichen.
Ist das die demokratischen Zivilisation, die wir mühsam in eine, wie es leider scheint, wacklige Rechstform und Verfassung brachten und ins Bewustsein zwängten?
Wird auch sie wieder bald im Schlamm der heranrollenden Panzer und im Primitivismus versinken?
Hier und Dort
Hier Sonne / Dort Bomben
Hier Frieden / Dort Tränen
Hier Zukunft? / Dort Graus!
Wohin gehen wir?
Tu in tam
Tu sonce / Tam bombe
Tu mir / Tam jok
Tu bodočnost? / Tam groza!
Kam gremo?
(c) Lojze Wieser, Slowenisch/Deutsch, 24.2.2022, um 7 Uhr)
Wohin, ja wohin gehen wir?
Klagenfurt/Celovec, am 24.3.2022
Hier un deer
Hier un deer
Hier Sunne / Deer Bomben
Hier Free / Deer Tronen
Hier Toukumst ? / Deer aal noar!
Wier gunge wie wai?
(Saterfriesisch von Johanna Evers)
Aquí i allà
Aquí i allà
Aquí el sol / Allà bombes
Aquí llibertat / Allà llàgrimes
Aquí el futur / Allà terror
Cap a on anem?
(Katalanisch von Anna Maria Torrents, català, Wien/Viena.)