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Tito starb vor 42 Jahren. Was hat das mit der heutigen Situation und dem Krieg in der Ukraine zu tun?

Heute vor 42 Jahren starb Tito.
Ein Freund fragte, wie ich Tito heute beurteile. Hier meine kurze Antwort in Schlagworten.

Einige Kriterien bei der Burteilung von Tito aus heutiger Sicht und was wir daraus für die heutige Situation, mit Krieg in der Ukraine und der umsichgreifenden Ratlosigkeit für Rückschlüsse ziehen sollten.

1. Tito gelang die Einigung der vom Nationalismus zerfressenen jugoslawischen Gesellschaft in der SHS Monarchie auf der Basis der Gleichberechtigung der Kulturen, Sprachen und Religionen, auf deren Grundlage der antifaschistische Partisanenkampf erfolgreich war;

2. Besiegung des Faschismus und Beginn der Veränderung des Landes, zuerst auf stalinistischer Basis (Goli otok), danach das Experiment der Selbstverwaltung, dass letztendlich an der Bürokratie, Gier u Korruption des Apparstes scheitert;

3. Das Ausbrechen aus der sowjetischen Umklammerung und die Gründung der Blockfreiheit, der Versuch der Überwindung des Ideologischen, das in sich zahllose bis heute nicht aufgearbeitete Ansätze zur neuen Weltwirtschaftsordnung trägt, um den Antagonismus zw. Reich und Arm, zwischen herrschender und beherrschter Nation, Sprache, Kultur, Schaffung von Minderheiten durch das Nationalstaatlichkeitsprinzip u.v.a.m und die Durchsetzung von Würde, Achtung, Menschenrechte, trägt;

4. Das Festschreiben der Maxime, das alle Sprachen u Kulturen gleichviel Wert sind und deren Gleichheit, unabhängig von Größe und Territorium zu achten ist u das das Bewusstsein für eigenständige kulturelle und sprachliche Gleichheit nicht vom Staatsterritorium, vielmehr von den demokratischen Strukturen im demokratischen Gefüge abhängt.

Einschub: (Ob sie in einem geeinten Territorium – oder nicht – leben und dazu über Jarhrzente gezwungen werden – Völkerbund, aufoktruierte Staatsprache, ethnische Säuberungen und großflächige Verschiebungen pflastern die politische Realität des 20. Jahrhunderts – hat sich längst als ideologisches Werkzeug diskreditiert, die diese These zur systematischen Assimilation anwandten – und bis heute ihre unreflektierten Anhänger findet, wie wir an den Äußerungen von Peter Weibl ersehen können, laut dem, wie der Standard schreibt, „die ukrainische Nationenbildung noch nicht gelungen sei“. Weibl wird dann folgendermaßen zitiert: „Dazu gehören die Etablierung gemeinsamer kultureller Standards und vor allem eine einheitliche Sprache und die Integration verschiedener Teile der Bevölkerung“. (Der Standard, 4 5.2022) Damit befindet sich dieser Herr in guter Gesellschaft mit allen Assimilanten der Geschichte und fällt sogar hinter den österreichischen Staatsvertrag von 1955 zurück, indem neben dem österreichischen Deutsch auch Slowenisch, Kroatisch, Ungarisch, Tschechich u Slowakisch, Rom und seit Kurzem auch Jänisch zu gleichberrechtigten Sprachen des Landes festgeschrieben sind und die Demokraten des Landes Jahrzehnte brauchten, um dies einigermaßen durchzusetzen.
Gibt heute die historisch falsche Annahme „die ukrainische Nationenbildung“ sei „noch nicht gelungen“, weil die Ukraine keine „einheitlichen Sprache“ haben jeglichem Agressor auf der Welt das Recht, ein Land zu okkupieren und zu bombadieren, wie sich einst die Nazis das Recht nahmen, das Land Kärnten „Deutsch zu machen“? )

Nach diesem notwendigen aktuellem Einschub, kehren wir zur Ausgangsbetrachtung zurück:


Auch wenn Vieles in Jugoslawien in der möglicherweise hoffnungsfrohen Form angedacht und wohl auch z.T. umzusetzen begonnen wurde, es ist am nachfolgendem Nationalismus gescheitert – und hier wären, beginnend mit den Siebzigerjahren die 1972 u 1974 ergriffenen Maßnahmen zu nennen und zu untersuchen (bekannt als Tito-Briefe gegen die kroatischen uns slowenischen ‚Abweichler‘), bis zu erbitterten Kampf im ZK des Bundes der Kommunisten vor dem Zerfall Jugoslawiens und der Machtübernahme verschiedener nationalistischen Strömungen (Serbien: Milošević, Kroatien Tuđman) mit den verzweifelten Gegenbewegungen (Makedonien, BiH, z.T. Slowenien) und verbunden mit kriminellen Aktionen, bis hin zur Ermordung von Kontrahenten.

Und doch kann man – in der Hoffnung, dass es einer historischen und wissenschaftlichen Prüfung unterzogen wird und in der Erfahrungsgeschichte eingeordnet wird – festhalten:

Ohne der antifaschistischen Einheitsfront wäre der Faschismus nicht besiegt worden;

Ohne der Blockfreienbewegung wäre die Dritte Welt zw den Supermächten USA und der SU zerrieben worden;

Ohne der Postulierung der sprachlichen und kulturellen Gleichheit jeder einzelnen sprachlichen Besonderheit würden wir heute noch mehr anstehen, als wir es tun, weil wir uns der gemachten Erfahrungen zu bedienen erst wieder besinnen müssen.

Jedenfalls würden sie uns Europäern in der Beurteilung der Vorgangsweise beim Ukrainekrieg mehr als hilfreich sein und sie könnten uns bei der notwendigen Festlegung, wie den 3. Weltkrieg abwehren, ohne zu Appologeten von irgendeiner der die Welt beherrschenwollenden Großmächte Russland, USA und China zu werden, nützen oder zu Wiederkäuern von längst überholten ethnischen Reinheitsprinzipien zu werden, wie sie scheinbar gerade wieder aus der Mottenkiste der Geschichte herausgesucht werden.
Europa hat, wenn es sich dessen nur besinnt, mehr zu bieten, als dieses derzeitige jämmerliche Bild der Verstörtheit und Anbiederung und intelektuellen Ahnungslosigkeit, zumal sich die einzelnen großglaubenden europäischen Staaten, ob Frankreich, GB oder Deutschland, untereinander mehr Mißtrauen als Trauen und noch der Verlockung unterliegen, mit geschwellter Brust und, die Gunst der Stunde nutzend, das Fingerspiel der Aufrüstung zu demonstrieren, wohl wissend, dass das bei weitem nicht reichen wird, zur vierten Großmacht zu werden.

Da wäre es schon besser, seine Energie auf die gemachten positiven Erfahrungen zu richten – die alle gegen die verurteilenswürdigen kolonialen und imperialen Rollen europäischer Staaten erkämpft wurden. Es mögen die wenigen Hinweise an dieser Stelle genügen: Hollands, Portugals und Vatikans Rolle bei der Ermordung der indigene Völker, Deutschlands Rolle in Afrika im 19. Jahrhundert, bis hin zur industriellen faschistischen Ausrottung und systematischen Vertreibung im 20. Jahrhundert.

Europa kann mehr. Es hat sich die Prinzipien der Demokratie, der Achtung und Würde, der Menschenrechte, der Blockfreiheit und der sprachlichen und kulturellen Gleichheit blutig erkämpf. Es hat begonnen, die Assimilation und Nationwerdung als Allheilmittel hinter sich zu lassen.

Europa hat die Erfahrungen zur Beilegung von die Menscheit zerstörenden Konflikten in sich kulminiert. Es ist Zeit, sie zu aktivieren.

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